Fotos der Vernissage Spectrum Rafting Lichtinstallationen von Erik Mátrai
Mit großer Begeisterung erzählt uns Kuratorin Regine Helwig, Vorsitzende des donumenta e. V. vom Charme und Eigenleben der Räumlichkeiten in der ehemaligen Fußgängerunterführung im Regensburger Hauptbahnhof Einstieg auf Gleis 1.
Denn immer, wenn ein Zug in den Hauptbahnhof einfährt, entwickelt die Unterführung eine lebhafte Dynamik. Ein wenig Putz bröckelt von der Decke, feiner Staub liegt in der Luft und ein lautstarkes Donnern lässt die Wände ein wenig zittern und vibrieren.
Durch dieses ungewöhnliche Ambiente versprüht der Kunstraum eine einzigartige und besondere einladende Atmosphäre.
„Der Winterschlaf ist zu Ende, sie erwartet einiges hier im Kunstraum“, so beginnt Regine Helwig, Vorsitzende der donumenta e. V. ihre Ansprache und Begrüßung zur Ausstellungseröffnung.
„Kunstwerke aus Licht auf Basis der additiven und subtraktiven Farbmischung erleben hier im Gleis 1. Erlauben sie mir einen kleinen Rückblick auf die Schulzeit. Bei der additiven Farbmischung entstehen unterschiedliche Farbeindrücke dadurch, dass zu vorhandenem Licht das Licht weiterer Spektralfarben hinzugefügt wird. Im Gegensatz dazu spricht man von der subtraktiven Farbmischung, wenn wir andere Farben aus dem Licht herausnehmen“, erklärt Regina.
„Der perfekte Ort dafür, um dieses Licht zu erleben, ist die Dunkelheit und Abgeschlossenheit. Dann können wir dem Licht erlauben, unsere körperliche Empfindlichkeit zu aktivieren und den Geist zu entleeren und die Gedanken fließen zu lassen.
Wie dieses Erleben aussieht, dürfen sie liebe Gäste in den nächsten 6 Wochen hier selbst nachvollziehen. Jeder Besucher sollte öfter kommen und auch genügend Zeit mitbringen, um das Gesehene auf sich einwirken zu lassen,“ erläutert Regina.
„Erik Mátrai lebt in Budapest und war bereits 2010 hier bei uns in Regensburg beim internationalen Festival der Kunst, welches sich damals Ungarn gewidmet hat. Seinerzeit war Erik Mátrai noch ein junger aufsteigender Künstler und heute ist er ein international gefragter Künstler und ein Lehrender an der Eszterházy Károly Universität in Eger.
Die Ausstellungseröffnung musste einige Male verschoben werden, weil Mátrai direkt aus New York nach Regensburg gekommen ist. So etwas feiern wir natürlich, denn das ist ein schönes Erfolgserlebnis der donumenta, dass sich hier widerspiegelt. Künstler, die wir hier jung und frisch hatten und dann nach 10 Jahren wiedersehen und ihre Karrieren betrachten und wow das wars doch sagen, wir hatten ein gutes Gefühl. So etwas macht immer Freude, diesen Erfolg zu feiern“, erzählt Regina enthusiastisch.
Erik Mátrai hat an der ungarischen Akademie der Bildenden Künste in Budapest Malerei studiert, später Video, Fotografie und Neue Medien. Art Rauminstallation sowie auch Kunst im öffentlichen Raum bestimmen sein künstlerisches Schaffen, wofür er 2017 mit dem Master of Light Avarad ausgezeichnet wurde. Das ist unter anderem eine der höchsten Auszeichnungen für Lichtkünstler.
Denn was machen Künstler, die mit Licht arbeiten, mit einer Materie, die schwer zu fassen ist. Das ist eigentlich das Spannende daran, wenn man nichts Materielles hat, sondern das Licht solange manipuliert, bis genau das Ergebnis kommt, bei dem der Betrachter etwas erfahren kann.
Mit Licht einen Raum zu schaffen, wo eigentlich keiner ist, um Betrachtern auch eine spirituelle Erfahrung zu ermöglichen. Für ihn ist Licht genau das Material, welches ihn ermöglicht hat, Bezug an die naturwissenschaftliche und naturbezogene Arbeit herzustellen.
Speziell für die donumenta ART LAB Gleis 1 hat Künstler Erik Mátrai die „Colorwall“ installiert, daraus ergibt sich zusammen mit dem besonderen Ort ein Gesamtkunstwerk.
Hier wird die bereits erwähnte additive und subtraktive Farbmischung verdeutlicht. In der Regel werden bei der additiven Farbmischung die Primärfarben des Lichts Rot, Grün und Blau überlagert (addiert), dabei entsteht wieder weißes Licht.
Weitere unterschiedliche Farbeindrücke entstehen dadurch, dass zu vorhandenem Licht das Licht weiterer Spektralfarben hinzugefügt wird. Diesen Effekt setzt der Künstler gekonnt für seine Installation „Colorwall“ ein, indem er verschiedenfarbiges Licht auf dieselben Stellen der Wandinstallation strahlt.
Dadurch verändert Licht das Farbspektrum von blau über violett, rot, orange, grün und wieder zu blau. Die Besucher*innen erleben eine farbig akzentuierte Wand, die lebendig scheint.
Die Installation „Spectrum Rafting“ ist ein faszinierendes Licht- und Farbenspiel, welches die Besucher*innen beim Betrachten in eine faszinierende und flirrende Welt der Lichter führt. Matrai verknüpft mit dem Titel „Spectrum Rafting“ das visuelle Erleben von sich brechendem Licht mit der Energie tosender Bergbäche.
Das besonders Erstaunliche bei Erik Mátrai ist, dass er mit Materialien arbeitet, die wir alle kennen. Zum Beispiel verwendet er bei „Spectrum Rafting“ Ventilatoren, kombiniert mit einer Rettungsdecke.
Diese Installation hat er so ausgeklügelt aufgebaut, dass sich durch den Luftstoß der Ventilatoren eine Welle ergibt. Es entsteht der Eindruck von Wellen, welche sich im Wind bewegen.
Gastrednerin Maria Lang freute sich sehr darüber, als Leiterin des Kulturamts der Stadt Regensburg, Oberbürgermeister Gertrud Schwarzfischer hier im Gleis 1 zu vertreten. Maria Lang leitet seit dem 26. Oktober 2020 das Kulturamt der Stadt Regensburg.
In Ihrer Ansprache an die zahlreich erschienen Regensburger Kunst- und Kulturfreunde beschreibt die Historikerin und Germanistin ausführlich den Künstler und die Ausstellung: „Gerade hier an diesem Ort, es ist so augenfällig, treffen Licht und Dunkel in diesem Untergrund aufeinander.
Licht und Finsternis repräsentieren absolute metaphysische Gegenmächte, die sich auszuschließen scheinen und doch das Weltgefüge stabilisieren. Es werde Licht! In den meisten Religionen markiert die Unterscheidung von dunkel und hell den ersten Schöpfungsakt, die Entstehung der Welt, den initialen Götterfunken.
Diese spezielle Symbolik, die Kraft des Lichts, inspiriert den Künstler Erik Mátrai der mit seinen Arbeiten bewusst religiöse Narrative aufgreift, um Formen des Transzendenten auszuloten. Dabei ist das zunächst immaterielle Licht sein Material. Sobald Licht irgendwo auftrifft, verschwindet es zunächst ist buchstäblich nicht greifbar, doch Künstler Erik Mátrai schafft aus Licht Dinglichkeit und lässt sinnlich anmutende Raumillusionen mithilfe einfacher geometrischer Formen entstehen.
Licht fasziniert uns also alle von Anbeginn der Welt, aber Licht ist nicht nur ein Symbol des Göttlichen. Licht ist Leben und Wärme. Licht bringt Erkenntnis. Licht lässt die Nacht zum Tag werden und ist prägend für kulturelle und historische Entwicklungen. Innerhalb der vergangenen 150 Jahre hat die Menschheit unterschiedlichste Möglichkeiten geschaffen, das natürliche Licht zu ersetzen. Besonders einschneidend sind die technischen Innovationen des 19. Jahrhunderts, die einer gleißenden Beleuchtungsrevolution gleichkommen. Vor allem das elektrische Licht, mit dem hier ja auch in der Kunst gearbeitet wird, hat wie kaum ein anderes Medium unseren Lebensraum revolutioniert und demokratisiert.
Vielfältige Bereiche des Alltags, des Konsums und der Medienwelt haben sich durch das künstliche Licht verändert und so eben auch die Kunst und die Art Kunst zu machen. Seit dem 20. Jahrhundert setzen sich Künstler*innen mit dem immateriellen Medium auseinander in Form von Glühbirnen, Leuchtstoff und Neonröhren, glimmernden LEDs oder leistungsstarken Scheinwerfern.
Auch Erik Mátrai bootet Licht als Material, als Medium und auch als Metapher aus. Mit seiner Installation „Colorwall“ schafft er einen neuen Raum, der mit den Besucher*innen mehr oder weniger per Luftpost über den Äther in einen individuellen Dialog tritt. Durch Bewegung generierte Luftströme spielen auf der Klaviatur des bunten Farbspektrums und variieren so Gestalt und Struktur von Licht. Doch was ist das eigentlich Licht. Das Rätsel, das Wesen des Lichts, wurde 1905 von Albert Einstein gelöst.
Licht ist sowohl eine elektromagnetische Welle als auch ein Strom von Teilchen. Bei Licht bewegt sich im luftleeren Raum mit einer Geschwindigkeit von knapp 3.000.000 Metern pro Sekunde. Jetzt wird es spannend, je näher ein bewegtes System der Lichtgeschwindigkeit kommt, desto langsamer vergeht im Flug, also von außen gesehen, die Zeit, so die Relativitätstheorie. Also heißt das für Protonen, für das Licht selbst dehnt sich die Zeit theoretisch ins Unendliche. Für sie bleibt also die Zeit stehen und das ist ein Gefühl, das eben uns als Betrachter*innen auch empfängt, wenn wir den Werken von Erik Mátrai begegnen.
Das zweite Werk, die Installation „Spectrum Rafting“ Wir tauchen ein in einen gleißenden Fluss aus spiegelnden Reflexionen. Licht fällt auf eine goldene, sich blähende Rettungsfolie wird an der Oberfläche zurückgestrahlt, gelangt in unsere Augen und erzeugt Signale. Signale, die weitergeleitet werden an unser Gehirn als visuelle Eindrücke aufgenommen und verarbeitet.
Das Sehen, wenn sie sich einlassen und auch diese meditativen Geräusche wahrnehmen, wird zu einem Prozess der Ruhe, zu einer spirituellen Erfahrung, die uns wachruft. Wir haben alle eine archaische Beziehung zum Licht als Menschen, das in seiner subjektiven Präsenz als modernes Lagerfeuer hier wirklich konzentrative Qualität entfaltet.
Also heißt Licht ist hier nicht mehr zweckgebundenes Mittel, um andere Dinge zu belichten oder zu beleuchten, sondern Licht wird selbst zur Botschaft des Werks. Die Kunst wird das Medium, indem die Unendlichkeit des Lichts zu sinnlicher Präsenz zitiert und und direkt fasslich wird. Es ist ein hervorgebrachtes Licht, das wir im Werk entdecken und welches auf uns drückt, dass die Universalität und Polyperspektivität der Gegenwart in produktive Weise reflektiert und dadurch aufklärt.
Dadurch sind wir bei einem epochemachenden Begriff der Aufklärung letztlich die sprachlich gesehen ja auch eine Metapher des Lichts ist, wie das französische „éclaircissement“ oder englische „enlightenment“ ja bereits begrifflich zum Ausdruck bringt.
Also auch hier ist Licht wieder als starke Metapher, wie sie uns auch in der Kunst begegnet. Das revolutionäre Neue der Aufklärung war, dass das Licht jetzt nicht mehr von der göttlichen Macht ausgeht, wo wir begonnen haben, sondern vom Menschen selbst. Wir sind es also die Kraft unseres eigenen Verstandes Licht in die Dinge bringen und das Dunkle erhellen.
Die Überbringer von Ignoranz und Krisen sind die Erleuchtung des Denkens, werden also für uns zu Daueraufgaben, mit der sich Postulate der Bildung und Erziehung bis heute verbinden. Und auf diesem Feld ist die Kunst ja tatsächlich als sehr erhellende Lehrmeisterin, wie Erik Mátrai eindrucksvoll unter Beweis stellt.“
Erlebe die Welt von Licht und Farbe!
Eine tolle Ausstellung für alle, die Licht und Farbe nicht nur spirituell begeistert. Interessant auch für Fotograf*innen die sowieso ein Grundwissen über die additive und subtraktive Farbmischung mitbringen und für alle Kreativen zur Inspiration.
Ausstellung: Spectrum Rafting
Ort: Hauptbahnhof Regensburg ART LAB Gleis 1
Künstler: Erik Mátrai
Datum: 22.04. – 28.05.2023
Öffnungszeiten: Mittwoch – Sonntag von 14:00-19:00 Uhr
Führungen: nach Vereinbarung, 0941-55133